Früher war alles besser!

 

Brückenpenner Berlin


Jahr 2099

Rage against the dehumanization spielt in einer sehr nahen Zukunft.

Die Menschheit verliert ihre Menschlichkeit und das Drumherum geht ebenfalls den Bach runter! Der Wasserspiegel steigt. Smog variiert in hübschen Farben wie gelb oder grau, die meisten Tiere sind ausgestorben. Die Welt ist in der Hand weniger Konzerne, die sich gegenseitig bekämpfen. Der Deckmantel der Demokratie ist gefallen, die Plutokratie ist kein Geheimnis mehr. Und niemanden interessiert´s. Natürlich nicht, denn das lang gehegte und gepflegte Pflänzlein namens Verdummung hat Wurzeln geschlagen. Desinteresse, Langeweile, geistige Stagnation, Drogen, innere Leere – und ab und an ein bisschen Gewalt zur Selbstbefriedigung. Anfangs nur ein bisschen – und dann immer ein bisschen mehr...

 

Eine kleine Übersicht des Untergangs:

  • Es ist nass! Dauernd regnet es und große Teile der Städte sind vollkommen überflutet. Boote lösen allmählich Autos ab. Der Wasserspiegel steigt stetig!
  • Es ist dunkel! Der Smog stiehlt der Welt das Licht. Tagsüber herrscht ein tristes Grau. Bestenfalls...
  • Neonlicht rules! Neonlicht ist cool. Und blinkt!
  • Waffenscheine sind Relikte der Vergangenheit! Wer unbewaffnet rausgeht, ist tot!
  • Erwarte kein Mitleid! Deine Gegner sind abgestumpft. Typ: nachtreten, wenn man am Boden liegt und dabei dümmlich grinsen. Erschieß ihn rechtzeitig. Lieg nicht am Boden. Erst wenn du tot bist.
  • Auf der ganzen Welt spricht man hauptsächlich eine Mischung aus Englisch und Mandarin, Menga genannt.
  • Die meisten Staaten der Welt haben sich bereits aufgelöst. Staatsoberhäupter und andere Politiker sind eine aussterbende und schon lange überflüssige Rasse. Die Macht liegt bei den Multimilliardären. Das tat sie eigentlich schon immer, nur ist es jetzt offiziell. Es lebe die Plutokratie!
  • Mutanten sind anders. Und wer anders ist, ist gefährlich. Was gefährlich ist, muss getötet werden. Du bist ein Mutant. Also überleg dir gut, ob du dich zu erkennen gibst.

Die Unterschiede zum „Hier & Jetzt“ bestehen darin, dass die Gewalt auf den Straßen bis ins Unermessliche gestiegen ist, die Menschen noch gefühlloser und verrohter sind, sich noch weiter in die Abhängigkeit der Medien und Drogen begeben haben und fast jeder bereit ist, für ein paar Bitcoins jemanden zu killen. Die Städte werden von Gangs beherrscht. Führen oder folgen, dazwischen gibt es nichts. Und die meisten Gangs sind ohne es zu wissen nichts weiter als das ausführende Organ irgendwelcher Konzerne.

 

Gewalt ist so natürlich wie das Atmen - ebenso der Tod!

Du wirst erschossen, wenn du spazieren gehst.

Du wirst erstochen, wenn du kurz gegenüber Kippen holst.

Du wirst vergewaltigt, wenn du zu Hause in der Badewanne liegst.

Jeder hat ne Wumme - und jeder schießt.

Du musst nur schneller sein!

 

Bruce Kalter... Gangmitglied der „Eisernen Fäuste“... 2099

 

Das verängstigte Volk ist dagegen vollkommen desillusioniert, mit gesenkten Köpfen gehen sie ihrer Arbeit nach, folgen willig dem Wort der Konzernchefs, glauben, was ihnen die Medien suggerieren und kaufen, was sie kaufen sollen.

Egoismus und Gefühlskälte auf der einen Seite, Hoffnungslosigkeit und Ergebenheit auf der anderen Seite haben ihren Siegeszug angetreten: die Menschheit hat ihre Menschlichkeit verloren.

Oder besser gesagt hat sie das verloren, was man allgemein als Menschlichkeit bezeichnet, doch nie welche war. Es lag dem Menschen schon immer im Blut, andere zu töten, aus Neid, Missgunst oder Gier. Das Streben nach Macht trieb ihn immer weiter voran.

Macht den Starken, Demut den Schwachen!

 

 

Das Tier namens Mensch sah sich losgelöst vom Tier, wollte keines mehr sein.

Stufte sich höher und erniedrigte es.

Mit der Macht des Wortes wies er dem Tier Boshaftigkeit zu und erhöhte sich selbst mit Werten wie Güte, Nächstenliebe oder Mitgefühl.

Werte, die er nie besaß.

Werte, die er dem Tier absprach.

 

Samuel Brown... Der letzte Prediger... 2068 

 

Vielleicht hat aber auch der Mensch nicht seine Menschlichkeit verloren, sondern sich nur weiterentwickelt. Mit dem Absprung vom Tier hat er sich selbst überwunden und den ersten Schritt zum Untergang getan. Jetzt macht er seinen letzten Schritt.

 

Doch einige wenige unter ihnen sind noch anders, haben die Zeichen der Zeit erkannt und wehren sich. Doch sie sind allein, umgeben von Milliarden Schafen, die blind ihren Führern in den Untergang folgen. Es gibt keine Rettung, keine Hilfe, keine siebte Kavallerie. Die Uhr steht auf fünf nach zwölf.

Was bleibt ist Zorn, Wut, Rage. Und so macht man sich halt Luft...

 

Weiterentwicklung beruht auf Mutationen und diese hat es in den letzten Jahren zuhauf gegeben. Man weiß nicht, was es war. Ob es einen natürlichen Sprung in der Entwicklung gegeben hat oder doch eher Umweltverschmutzung, Chemie oder Genmanipulation der Grund hierfür ist: Einige Menschen sind mutiert, haben Fähigkeiten entwickelt, welche man früher eher Halbgöttern oder Comic-Helden zugeschrieben hätte. Beschleunigte Bewegung, Telekinese, gesteigerte Sinne, zusätzliche Gliedmaßen und der ganze Scheiß!

Jau, das gibt’s jetzt wirklich.

All das macht natürlich für die Gegenseite attraktiv. Für die Strippenzieher, Konzerne, Gangs und das Militär. Vor allem Konzerne nutzen Mutanten, um unliebsame Personen oder Konkurrenz auszuschalten.

Oder dich!

Denn auch du bist ein Mutant.

Nur gehörst du zu denen, die nachts durch die Straßenschluchten schleichen und mit dem Abschaum aufräumen.

Dein Hass treibt dich voran.

Deine Angst vor dem Untergang der „wahren“ Menschheit.

Deine Verzweiflung.

Dein Zorn.

Du bist die fleischgewordene Wut gegen die Entmenschlichung!

Das System

Die Staaten haben sich aufgelöst und wurden durch Konzerne abgelöst, die alles kontrollieren. Es gibt keine Polizei mehr, Feuerwehr, Krankenhäuser oder sonstige bekannte, staatliche Einrichtungen.

Wenn du Hilfe brauchst, wende dich an deinen Konzern oder deine Gang. Dies ist deine Heimat, deine Familie. Wenn du bezahlst...

Es soll 13 Multis geben, die die Welt unter sich aufteilen. Man nennt sie die Demiurgen, die Weltenbaumeister! Doch das ist nur ein Gerücht, von dem man nicht weiß, wieviel Glauben man ihm schenken darf.

Die in der Öffentlichkeit stehende höchste Instanz sind die Konzernchefs,  im Straßenjargon Drohnen genannt, mit all ihren Untergebenen..

Danach kommt nur noch der Durchschnittsbürger, welcher artig seiner Arbeit nachgeht und damit zufrieden ist, am Leben zu bleiben.

Angeblich nicht mehr zum System gehörend, aber den größten Teil der Bevölkerung ausmachend, folgen die Gangs. Sie überleben auf unterschiedlichste Weise und scheren sich einen Dreck um das System. Diebstahl, Mord, Raub, Hehlerei oder sonstiges garantiert das Überleben. Sie sind das Überbleibsel der alten Zivilisation, überflüssiges, nutzloses Fleisch im neuen System. Fleisch, das sich letztlich selbst vernichten und in den Straßen verrotten wird.

 

Glückstage

Die Kneipe war so einladend wie das synthetische Bier, nur war die Kneipe kalt und das Sybeer warm. Putz fiel von den Wänden, die Luft roch nach Schimmel. Dort, wo der Putz sich noch halbwegs hielt, krabbelte dafür Viecherzeugs. Das Gesocks, was hier abhing, war halbwegs erträglich. Hauptsächlich Hafenarbeiter, kleine Dealer und ein paar Nutten, die weitaus billiger waren als die Krankheiten, die man sich bei ihnen einfing.

„Ich trink auch wohl noch einen“, lallte der uralte ehemalige Hafenarbeiter zu seinem jungen Gegenüber, welches optisch nicht wirklich in die Umgebung passen wollte. Der Anzug war zu teuer, die Schuhe zu sauber, die Fingernägel zu gepflegt. Er hob die Finger und der Wirt machte zwei neue.

„Also, sagen sie mir, wie genau fing alles an?“, wollte er wissen und lächelte. Es war ein nichtssagendes, ein aufgelegtes Lächeln.

„Genau, genau. Ja so genau weiß ich das auch nicht mehr. Irgendwann in den 20ern war das. Da ging alles den Bach runter. Bei den Amis. Da gingen die Staaten zu Bruch, weißte? Irgend so ein Amiland, da wurd´ der Gouverneur erschossen. Und als die den nächsten eingesetzt haben, wurde der auch gekillt. Nicht einen Tag hatte der was zu sagen gehabt. “Grunzend starrte der alte Mann zum Wirt, der die nächsten zwei Gläser mit bläulich leuchtendem Fusel auf den Plastiktisch servierte. Sie saßen direkt neben der Theke und der gepflegte, junge Mann hatte so den ganzen Laden im Auge.

„Wohl heute dein Glückstag, Ben?!“

„Kann man so sagen“, grinste Ben den wieder verschwindenden Wirt an und seine Augen leuchteten.

„Und weiter? Also, der zweite Gouverneur wurde auch erschossen. Und was ist dann passiert?“

„Dann hat´s direkt den dritten erwischt. Alles wurde panisch, drehte am Rad. Jeder verdächtigte jeden. Türlich wollten sie es den Russen in den Arsch schieben. Das haben die früher immer so gemacht. Tja, da ging´s dann erst richtig los. Zeitgleich wurden etliche hohe Tiere gekillt. Und ehe sich die Amis versahen, hatten die keine Regierung mehr. Das ging so lächerlich einfach; ist echt n´ Witz.“

Gierig spülte er den Blaufusel runter.

Sein Gegenüber schob ihm zu Bens großer Freude sein eigenes Glas rüber.

Nach nem Jahr oder so fing dann die Bevölkerung an, aufzumucken. Die rafften allmählich, dass alles auch so irgendwie weiter läuft – also ohne Regierung und den ganzen Scheiß. Die fühlten sich auf einmal mündig, die Spinner. Da ging´s so richtig ab. Das Volk gegen Militär, das Volk gegeneinander. Das hat ja sogar da irgendwo ein Kernkraftwerk zerlegt, mein ich! “Er nahm das nächste Glas zu sich.

Der junge Mann stand auf, ging zum Tresen, tuschelte was mit dem Wirt, zahlte und bekam eine Flasche in die Hand gedrückt. Dann setzte er sich wieder an den Tisch.

„So, die Flasche gehört jetzt uns. Oder besser gesagt Ihnen. Mehr wird´s nicht. Bitte erzählen sie weiter!“

Ben konnte es kaum fassen, nahm die Flasche zärtlich in die Hände und drehte langsam den Verschluss auf und schenkte sich ein.

„Dich muss der Himmel schicken, Mann . Ja ja, ich weiß, ich stell dir keine Fragen. Also gut: ääähhh, wo war ich?“

„Die Bevölkerung hat revoltiert und ein Kernkraftwerk ist hochgegangen.“

„Ach ja, stimmt. Das war dann auch die Zeit, als sich immer mehr Gangs gebildet und die Konzerne die Macht übernommen haben. Und ab da lief es bei den Amis eigentlich nur noch so. Die Konzerne hatten das Sagen, die Gangs gingen immer brutaler zu Werke und die Leute hatten nur noch Schiss. Also genau so wie hier.... und jetzt. Ja und hier, in Hamburg, also was früher mal Deutschland war mein ich, da ging´s zuerst los in Europa. Fast genau der gleiche Scheiß. Als wär das alles geplant gewesen. Tja, und nu hamwa den Salat fast überall, auf der ganzen Welt. Boahh, bin ich voll, kann die Augen kaum offen halten.“

„Das macht nichts, Ben. Trinken sie noch einen auf mein Wohl. Sie sind ein sehr gebildeter Mensch, wissen sie das eigentlich? Sagen sie, haben sie oft über derartige Dinge in den letzten Jahren mit irgend jemandem gesprochen?“

„Gebildet. Ha, ich hab´s immer gesagt. Nee, das Zeug interessiert doch keine Sau. Und das Wissen darum ist ja ziemlich verschütt gegangen, jetzt, wo es es keine Schulen mehr gibt und so viele Alte verreckt sind und so. Na, ja. Siehst du die Rothaarige da? Ja, die Nutte mein ich. Der hab ich mal einiges erzählt, als sie mir einen geblasen hat. Das war gratis. Echt n´ nettes Mädchen.“

Bens Augen fielen zu. Der junge Mann rückte ihn unauffällig etwas zurecht. Jeder würde ihn einfach nur für betrunken halten und bei Ladenschluss seinen Tod feststellen. Und es würde keinen kümmern.

Er lief zielstrebig auf die rothaarige Nutte zu.

„Sie wurden mir empfohlen. Man sagt, sie hätten ein recht geschicktes Mundwerk. Ich zahle das dreifache. Kommen Sie mit nach draußen?“

„Hallooo junger Mann. Na, wenn das heute man nicht mein Glückstag ist.“