Als ich meiner Frau anvertraute, dass ich ein Mutant bin, spuckte sie mir ins Gesicht, nahm unsere Tochter und verschwand. Dann fickte sie mit dem Fabrikleiter, welcher mir umgehend ein paar Killer auf den Hals hetzte. Jetzt lebe ich mit meiner Tochter in den Slums von Warschau. Den Rest habe ich umgebracht.

 

Darius Kowalski, Warschau


That´s life!

Falls du unter Menschen lebst, achtest du ständig darauf, dich nicht irgendwie zu verraten. Als Mensch bist du nur ein Konkurrent im blutigen Kampf um einen Job oder um deinen Status in der Gang. Als Mutant aber bist du raus aus diesem Spiel, denn du gehörst nicht zu ihnen. Und deswegen wirst du von jedermann direkt gekillt.

Tatsächlich werden hohe Kopfgelder ausgesetzt! Warum? Hey, du verfügst über Fähigkeiten, die dich weit über den Normalsterblichen stellen. Also könntest du gefährlich sein. Selbst mit den allerbesten Absichten bist und bleibst du ein Mutant - wohlmöglich hast du Tentakel....... und gehörst somit erschossen!

 

Das Kopfgeld wird von einigen großen Konzernen ausgesetzt. Aus irgendwelchen Gründen scheinen sie besonderes Interesse an der Ausrottung aller Mutanten zu haben.

Lässt du dich von einem der kleinen Konzerne für spezielle Arbeiten anheuern, geht’s dir schnell besser. Zumindest finanziell. Dafür legst du halt ab und an ein paar Typen um, brichst ein paar Finger oder derartiges.

 

Aber das ist ja kein Ding für dich! Du ziehst allein durch die Straßen und nietest die Bösen um. Oder vielleicht hast du sogar ein paar Kumpels, mit denen du auf die Jagd gehst. Und du hast ein hehres Ziel! Du willst die Welt ändern, die Marionettenspieler entlarven – der Welt die Augen öffnen! Natürlich weißt du genau, dass du überhaupt keine Chance hast, jemals dein Ziel zu erreichen.

Doch zumindest kannst du so deinen Frust wegballern!


Die Tippse

Celine sitzt in einer halboffenen Kabine, ihrem Büro, umgeben von tausenden weiteren Kabinen. Sie alle sind besetzt, keiner fehlt. Tausende fleißiger Arbeiter gehen ihrer Arbeit nach, vierzehn Stunden am Tag.

Heute hat sie einen besonders interessanten Auftrag erhalten: Sie soll sämtliche Synonyme für das Wort „Freiheit“ streichen. Eine wirklich wichtige Aufgabe.

Ob wohl eine der oberen Arbeiterschichten auf sie aufmerksam geworden ist? Kurz verharrt sie bei dem Gedanken, ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, dann tippt sie eifrig weiter auf der Tastatur des Computers. 3412 Synonyme auf verschiedenen Sprachen hatte sie bereits gefunden. Sie sollte sich nicht mit solchen Gedanken befassen. Das steht ihr nicht zu.

“Celine, du törichtes Ding, du solltest froh sein, den Demiurgen dienen zu dürfen“, denkt sie und hat beinahe Angst, durch ihre forschen Gedankengänge wertvolle Zeit verloren zu haben. 3908 Synonyme auf den aussterbenden Restsprachen. Nur zwei auf Menga, der neuen Hauptsprache, eine Mischung aus Englisch und Mandarin. Die zwei wichtigsten, die gelöscht werden müssen. „Bald sprechen alle Menga, die demiurgengefälligste aller Sprachen“, dachte sie und war geradezu schockiert ob ihrer heutigen Unkonzentriertheit. Sie würde heute zehn Minuten von ihrer halbstündigen Pause streichen.

Schräg über ihren Kopf hängt ein Monitor. Nach einem kurzen Blitzen erscheint das Gesicht eines Mannes auf dem Display. Und auf allen anderen Bildschirmen des Hauses auch. Ein fettes Gesicht mit dazu passenden fettig glänzenden, schwarzen Haaren. Die Drohne des Konzerns! Monsieur La Marre. Was für eine Ehre!

„An alle Arbeiter unseres ehrenwerten Hauses.“ La Marre scheint nervös zu sein. Schweiß spiegelt sich auf dem Fett. „Leider muss ich Ihnen mitteilen... dass gewisse Diskrepanzen... in unserem Hause... dazu führen....“ Hastig blickt er sich um. Das Bild flimmert. Ein Schuss fällt. Dann noch einer. Blut spritzt auf die Kamera. Dann wird das Bild wieder klarer. Ein Mann wischt mit einem Tuch das Blut ab und sein Gesicht erscheint dicht am Monitor: „Ich bin Jean de Freign. Das Schwein ist tot. Ihr seid frei. Ihr könnt gehen. Fangt endlich an zu leben.“ Dann wackelt wieder das Bild und man hört ihn schreien: “Freiheit für die Welt! Freiheit durch die Mutanten! Egalite, Liberte, Fraternite!“

Die Anzeige erlischt. Celine starrt lange, vollkommen fassungslos auf den Bildschirm. Will nicht glauben, dass das real ist, was sie gesehen hat. Weitere Schüsse fallen, Geschrei! Es dauert, bis sie begreift, dass die Geräusche nicht aus dem Monitor dringen, sondern ganz in ihrer Nähe sind. Die Sicherheitskräfte befassen sich mit den Eindringlingen, den Mutanten. Langsam stakst sie durch den Gang, der die Kabinen der Sektion B11 miteinander verbindet, steif, wird von schreienden Arbeitern bedrängt und umgerannt. Doch sie steht wieder auf. Blut spritzt, Granaten explodieren, Mutanten und Sicherheitskräfte sterben. Verkrampft hält Celine ihren Bleistift in der Rechten, als wäre er ihr letzter Halt. Und dann steht er plötzlich vor ihr, der Mann vom Display, Jean de Freign. Er bewegt sich mit einer Geschwindigkeit, die keinem Normalsterblichen zu eigen sein kann. „Für die Menschheit“ schreit er wie ein Wahnsinniger, „für die Menschlichkeit!“, während er mit einer Kalaschnikow den Sicherheitskräften den Garaus macht. Celine wankt weiter auf ihn zu. Er sieht sie nicht, schaut nicht in ihre Richtung, ist zu abgelenkt. Sie hat ihren rechten Arm erhoben, den Stift in der Hand. Dort steht er, der Mörder der Drohne, der Richter des gütigen Monsieur La Marre. Dann rammt sie ihm das Schreibgerät ins Ohr. Zieht es heraus. Und rammt es erneut hinein. De Freign ist bereits tot, bevor er auf den Boden aufschlägt. Dann ist alles ruhig. Die Sicherheitskräfte lecken ihre Wunden. Celine zieht den Stift aus dem Ohr und geht zurück an ihren Arbeitsplatz. Der Reinigungsdienst würde sich um die Leichen kümmern. Celine starrt auf den Bildschirm des Computers.

8027 Synonyme für Freiheit.